Mit Mikroalgen gegen das nächste Virus

Auf der Suche nach neuen antiviralen Wirkstoffen setzen Forschende der Hochschule Anhalt auf Mikroalgen. Sie vermuten, dass diese Organismen einen eigenen Immunschutz gegen Viren entwickelt haben.

Wie schützen wir uns besser vor Infektionen? Algen gelten seit langem als potenzielle Wirkstoff-Lieferanten. Seit Millionen Jahren sichern sie ihre Abwehr und ihre biochemische Vielfalt selbst. Ob und welche Mikroalgen sich dafür eignen, ist wissenschaftlich bislang kaum belegt. Das wollen Forschende der Algenbiotechnologie und Wirkstoffbiochemie der Hochschule Anhalt mit dem Projekt AvirAL ändern. Für ihre Suche folgen sie der Spur der Makroalge Griffithsia. 

Foto: Robin Ritter
Foto: Robin Ritter
 
 
Antivirale Proteine in Algen
Denn ihre antivirale Wirkung wurde in klinischen Studien bereits nachgewiesen. Fähig ist sie dazu durch ein bestimmtes Protein aus der Klasse der Lektine: Griffithsin. Es heftet sich an die Hülle von Viren und setzt diese damit außer Gefecht – wie sowohl an HIV- als auch Sars-Cov-2-Viren gezeigt werden konnte. "Wir haben bereits durch Genomanalysen in Mikroalgen viele Proteine entdeckt, die dem Griffithsin sehr ähnlich sind", erklärt Prof. Dr. Stephan Schilling von der Hochschule Anhalt, der hier zu naturnahen Therapeutika in enger Kooperation mit der Algenbiotechnologie forscht. "Wenn wir nachweisen können, dass dahinter tatsächlich Lektine mit Schutzfunktionen stecken, lassen sich daraus ganz neue Wirkstoffe entwickeln."
 
Mit Griffithsin zu neuen Lektinen

Dazu nutzt das Forschungsteam den genetischen Fingerabdruck von Griffithsin. Wie eine Art Navigator soll er sie in Datenbanken zu den Mikroalgen führen, deren Genom ähnliche Lektine aufweist. Gleichzeitig werden vielversprechende Mikroalgen in den Laboren der Hochschule gezielt gezüchtet. "Aus unserer langjährigen Forschung wissen wir bereits, dass dafür Rotalgen, aber auch Kieselalgen in Frage kommen", sagt Prof. Dr. Carola Griehl, Gründerin und Leiterin der Algenbiotechnologie in Köthen. 

Vom Wirkstoff zum Nasenspray

Sind die Lektin-bildenden Mikroalgen gefunden, folgen die typischen Schritte der Wirkstoffforschung: Isolierung und Charakterisierung der vielversprechenden Lektine, erste Tests zur Wirksamkeit gegen ausgewählte Viren. Dafür hat das AvirAL-Forschungsteam drei Jahre Zeit, gefördert von der Europäischen Union und dem Land Sachsen-Anhalt. Bestenfalls führt ihr Weg dazu, dass auf Basis der Mikroalgen neue pharmazeutische Produkte entwickelt werden können – zum Beispiel in Form von Nasensprays.

Breiter Schutz für die nächste Infektionswelle

Professor Stephan Schilling und Professorin Carola Griehl sehen ihren Ansatz als wichtige Ergänzung zu schon entwickelten Wirkstoffen wie Griffithsin. Oder  auch bereits erhältlichen Algen-Nasensprays, die nicht auf der Basis von Proteinen, sondern Polysacchariden wirken. Um neue Algenwirkstoffe entwickeln zu können, gründeten beide 2021 das Zentrum für Naturstoff-basierte Therapeutika (ZNT) der Hochschule. Die Pandemie habe gezeigt, wie wichtig vielfältige Möglichkeiten zum Schutz und zur Therapie bei Viruserkrankungen sind. Dass sie derzeit als einzige Forschungsgruppe so intensiv daran arbeiten, antivirale Proteine von Mikroalgen zu verwerten, hat verschiedene Gründe.

Schützen sich Mikroalgen mit Proteinen doch gegen Viren?

So ist die Algenbiotechnologie in Köthen seit mehr als 20 Jahren auf Mikroalgen spezialisiert. "Außerdem ist man in der Forschung lange davon ausgegangen, dass Mikroalgen keinen Immunschutz brauchen, vereinfacht gesagt: Wird es gefährlich, schwimmen sie einfach weg", sagt Prof. Dr. Stephan Schilling, der in seiner langjährigen Forschung auf dem Gebiet der Wirkstoffbiochemie zu einem anderen Schluss gekommen ist: "Wir gehen davon aus, dass sie sich mit Hilfe von Lektinen vor Viren schützen und diese Teil eines Immunsystems sind." Mit dem Projekt AvirAL könne diese Frage geklärt werden, so seine Hoffnung.

Mehr zur Forschung der Algenbiotechnologie und des Zentrums für Naturstoff-basierte Therapeutika (ZNT) an der Hochschule, sind auf den jeweiligen Websites zu finden. Prof. Dr. Carola Griehl kann direkt kontaktiert werden per E-Mail: und Tel.: +49 (0) 3496 67 2526. Prof. Dr. Stephan Schilling ist in seiner Funktion als Professor für Wirkstoffbiochemie erreichbar über die E-Mail und Tel.: +49 (0) 3496 67 2534. Mehr zu der von ihm geleiteten Außenstelle Molekulare Wirkstoffbiochemie und Therapieentwicklung steht auf der Seite des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie.

https://www.hs-anhalt.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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